Anna Vock
Anna Vock (*13.1.1885; † 14.12.1962) war eine lesbische Pionierin. Mitbegründerin des Damenclub Amicitia
Biografie
Geboren am 13. Januar 1885 in Anglikon bei Wohlen im Kanton Aargau als Tochter von Kaspar Leonz und Katharina (geb. Steinmann). Sie war katholisch und nie verheiratet. Sie arbeitete als Bürolistin, Verkäuferin, Kolporteurin, war zeitweise auch erwerbslos.
Mit 20 Jahren zog sie 1905 nach Zürich.
Mit 26 Jahren zog Anna Vock 1911 nach München. Warum sie nach München ging, wo sie dort lebte und was sie arbeitete, darüber ist bisher nichts bekannt. Unbekannt ist auch, wie lange sie dort blieb und in welchem Jahr sie sich wieder in der Schweiz, in St. Gallen anmeldete, bevor sie sich mit 31 Jahren, im Jahr 1916, erneut in Zürich anmeldete. Von März bis Juli 1916 zog Anna Vock nochmals nach München.
Mit 31 Jahren, ab 1921, entschied sie sich dauerhaft für Zürich, abgesehen von einem Jahr, 1927/28 in Winterthur.
Anna Vock war 46 Jahre alt, als sie gemeinsam mit Laura Fredy Thoma und zwei weiteren Frauen (vermutlich Anna Sieber und Fanny Eichenberger) im August 1931 den Damenclub Amicitia in Zürich gründeten. Sie hatte eine zentrale Funktion im Damenclub Amicitia und beteiligte sich am Aufbau des Freundschaftsverbandes (gemeinsam mit dem Herrenclub Excentric) und am Clubleben. Nachdem Laura Fredy Thoma die Mitarbeit an der Zeitschrift aufgegeben hatte, übernahm Anna Vock diese Funktion bis zur letzten Nummer des Freundschaftsverbandes 1938. In der Nachfolgezeitschrift "Menschenrecht" übernahmen die Männer die Redaktion. 1934 geriet Anna Vock ins Sperrfeuer der Skandalzeitung "Scheinwerfer", welche in ihrem Leitartikel Nr.4/1934 eine beleidigende Berichterstattung über den Fastnachtsball des Freundschaftsverbandes publiziert hatte. Anna Vock erhob im Namen des Verbandes eine Ehrverletzungsklage beim Bezirksgericht Zürich, worauf der Scheinwerfer Anna Vock persönlich angriff, ihren volle Namen veröffentlichte und behauptete, die damals 49-Jährige habe zwei Frauen tätlich angegriffen.[1] Vermutlich als Folge dieses verleumderischen Angriffes verlor Anna Vock den Arbeitsplatz. Sie trat als Präsidentin der Zürcher Sektion zurück, blieb jedoch Zentralpräsidentin des Schweizer Freundschaftsverbandes.
Im Freundschaftsbanner 9/1934 benannte sie die Ziele des Freundschaftsverbandes so: "Was wir wollen, das ist die Anerkennung unserer Art und das Recht auf unsere Liebe, so wie wir nun einmal veranlagt sind, ohne deshalb fürchten zu müssen in den Fussangeln veralteter Gesetzes-Paragraphen hängen zu bleiben. (...) Wir erstreben die allgemeine Achtung und Respektierung unserer Artgenossen, gehören sie nun dem Arbeiterstande oder höheren Berufen an. Offen und ehrlich wollen wir zu unserer Liebe und Freundschaft stehen und treu und gewissenhaft unsere Pflichten als Menschen und Bürger erfüllen."
Anna Vock arbeitete lange Jahre mit den Männern im Freundschaftsverband zusammen und blieb offenbar mit Rolf (Karl Rheiner), dem späteren Gründer der Zeitschrift "Der Kreis" (1942 als Nachfolge des "Menschenrecht") freundschaftlich verbunden. Rolf schrieb nach ihrem Tod am 14. Dezember 1962 eine Würdigung zu ihr im Kreis 1/1963.
Anna Vock starb mit 77 Jahren in Zürich. In Kreis 2/1963 dankte Anna Vocks "Lebensgefährtin über fünf Jahrzehnte" für den erhaltenen Trost.
Wer wohl diese Lebensgefährtin war? Dies könnte Anna Sieber sein, welche am 5. Februar 1890 in Widnau, Kanton St. Gallen, geboren wurde. Vock war 5 Jahre älter als Sieber, die in den Jahren 1931 bis 1938 zusammen wohnten (also von 46/41 Jahren bis 53/48 Jahre). Offenbar konnte Sieber nach Vocks Tod deren Wohnung an der Mühlegasse 7 übernehmen, bis sie sich schliesslich 1965 mit 75 Jahren nach Widnau, Kanton St. Gallen, abmeldete. Da dies ihr Heimatort ist, ist zu vermuten, dass sie dort ins Altersheim ging, weil sie ihr die finanziellen Mittel für Zürich fehlten. Wenn die Freundschaft über fünfzig Jahre dauerte, hätte sie etwa 1912 beginnen müssen. Zu der Zeit war Anna Vock in München. Oder 1916: Da kam Vock nach Zürich zurück und Sieber zog bei Vock ein am Eisenbahnweg 1 und später an der Oberdorfstr. 14.
Lebensstationen
- 1885 in Anglikon/AG geboren
- ?? Villmergen/AG
- 1905 in Zürich
- am 27.März 1905 Anmeldung in Zürich (Zuzug von Anglikon), wohnte am Hirschengraben 68 und an der Schipfe 41
- 1911 in München
- am 17. Februar 1911 Abmeldung nach München
- 1911 bis 1916 München und St.Gallen
- 1916 in Zürich
- am 1. März bis 27. März 1916 Anmeldung in Zürich (Zuzug von St. Gallen), wohnte mit Anna Sieber zusammen
- 1916 März - Juli in München
- 27. März 1916 Abmeldung nach München
- 1916 in Zürich
- 14. Juli bis 30. August 1916 Anmeldung in Zürich (Zuzug von Anglikon), wohnte bei Anna Sieber, Oberdorfstr. 14
- vor Zürich in Buchs (St. Gallen)
- 1921 bis 1927 in Zürich
- am 6. August 1921 Anmeldung in Zürich (Zuzug von Buchs/St. Gallen), wohnte bei Sieber (Seefeldstr. 73 und Trittligasse 2). Dann in einer eigenen Wohnung an der Friesenbergstr. 14, an der Langstrasse 61, an der Wildbachstr. 45. Danach bei Konrad am Rennweg 26/Fortunagasse 13.
- am 12. Oktober 1927 Abmeldung nach Winterthur
- 1927-1928 in Winterthur
- 27. Oktober 1927 bis 12. November 1928 in Winterthur
- 1928 bis 1962 Zürich
- 17. November 1928 Anmeldung in Zürich (Zuzug von Winterthur), Morgartenstr. 24
- April 1929, Bauhaldenstr. 6
- 9. Juli 1930, Wuhrstr. 19
- 21. Oktober 1930, Schlüsselgasse 20
- 15. April 1931, Ankerstr. 65
- 22. Juli 1931, Signaustr. 11
- 9. Oktober 1931, Anwandstr. 5
- 3. Januar 1935, Birmensdorferstr. 13, bei Konrad
- 4. Februar 1935, Anwandstr. 5
- 23. Oktober 1935, Langstr. 67
- 6. Juli 1938, Häringstr. 18
- 11. April 1939 bis zu ihrem Tod am 14. Dezember 1962, Mühlegasse 7
Quellen
- "Unterstützungsfall" Anna Vock, 8.1.1934
Literatur
- Kokula, Ilse; Bömer, Ulrike. Die Welt gehört uns doch!: Zusammenschluss lesbischer Frauen in der Schweiz der 30er Jahre. Bern/Wettingen, eFeF-Verlag, 1991. Darin insbesondere zu Anna Vock S. 100-104.
- Vorabdruck: Anna Vock (1885-1962). In: Frau ohne Herz, 28/1991, S. 10-11. Online verfügbar auf e-periodica, zuletzt aufgerufen am 17.12.2022
- Rolf. Abschied von Mammina. In: der Kreis, 1/1963, S. 6-7. Online verfügbar auf e-periodica, zuletzt aufgerufen am 17.12.2022
Einzelnachweise
- ↑ Kokula, Ilse; Bömer, Ulrike. Die Welt gehört uns doch!: Zusammenschluss lesbischer Frauen in der Schweiz der 30er Jahre. Bern/Wettingen, eFeF-Verlag, 1991. S. 185-186