Caroline Farner

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Zweite Ärztin der Schweiz und Feministin. *10. Juni 1842 - †8. April 1913. Langjährige Partnerin von Anna Pfrunder

Dr. med. Caroline Farner

Biografie

Caroline Farner wurde als jüngstes von sieben Kindern 1842 in Guntershausen im Kanton Thurgau geboren. Sie besuchte das Töchterinstitut in Aarberg und ein Pensionat in Neuenburg, um Französisch zu lernen.
Um 1860 war sie als Lehrerin und Erzieherin in Schottland, England und Frankreich tätig. In London lernt sie Klavier und liest viel (Shakespeare, Byron, Milton). In den 1860er Jahren reist sie zu ihrer Schwester in die USA und auch nach Ungarn zu ihrem Bruder. Beide benötigen Unterstützung, doch sie Hilfeversuche von Farner scheitern und viel Geld (das Erbe der Eltern) geht verloren. Sie ist deprimiert und will Diakonssin werden. Ihre Schwester in Langenthal informiert sie, dass in Zürich Frauen Medizin studieren können. 1871 hat sie die Matura nachgeholt und sitzt als 29-jährige im Hörsaal:

«Wie ungewohnt musste es wohl der Neunundzwanzigjährigen, die schon in der Welt draussen gewirkt hatte, vorkommen, wieder auf der Schulbank zu sitzen neben halbreifen Jünglingen, die damals noch misstrauisch den weiblichen Eindringling besahen. Auch die Professoren wussten nicht gleich Stellung zu nehmen zu der neuen Erscheinung der Studentinnen. Die Alma Mater, die so lange nur Söhne gekannt hatte, brauchte eine Weile, bis sie sich an die Töchter gewöhnte, und da Publikum traute den studierenden Frauen schon gar nicht.» [1]

Im Februar 1876 besteht sie das Staatsexamen und promoviert ein Jahr später. Sie ist jetzt 35 Jahre alt. Als Assistenzärztin wirkt sie in Wien und Paris. An der Bärengasse in Zürich eröffnet Caroline Farner ca. 1877 ihre Praxis. Sie ist die zweite Schweizer Ärztin und die erste Allgemeinpraktikerin der Schweiz. Der Zulauf ist gut. Sie behandelt v.a. die Oberschicht, an zwei Halbtagen hält sie Sprechstunde für Arme. Sie muss immer wieder Kritik hören und Zeitungsartikel schreiben,

„dass es unerhört sei, wenn eine Ärztin auch Männer behandle, wenn ein weibliches Wesen über Leben und Tod von Männern gebieten könne.“

Im Zusammenhang mit den verwaisten Nichten und Neffen von Anna Pfrunder wurde sie verleumdet und am 12. September 1892 am Hauptbahnhof Zürich verhaftet. Die Untersuchungshaft dauerte für sie acht Wochen im Zuchtaus, für Anna 8 Wochen. Am 10. Januar 1893 konnte sie die Arbeit in der Praxis wieder aufnehmen und am 28. August wurde sie - dank der Verteidigungsschrift von Meta von Salis und der europaweiten Solidarisierung via die Zeitschrift "Philantropin" - frei gesprochen.
Ab 1892 bis zu ihrem Tod 1913 lebte sie mit Anna Pfrunder in der Villa Ehrenberg an der Rämistrasse 26. Bis zu ihrem eigenen Tod lebte die Hinterbliebene Anna Pfrunder in diesem Haus, dann ging die Villa Ehrenberg – auf Wunsch Caroline Farners, wie Anna Pfrunder in ihrem Testament schrieb – halb als Schenkung, halb als Kauf an die Zürcher Sektion des Lyceumklubs, ein Club für Frauen. Ferner gründeten sie eine Stiftung (die anna-carolina-Stiftung) zur Unterstützung weiblicher Studierender, und Meta von Salis, Pauline Bindschedler und Hedwig Feigenwinter-Kym erhielten einen namhaften Betrag «als Andenken und Zeichen der Dankbarkeit“. Die Stiftung gibt es heute noch.
Auf der Hohen Promenade, wurde Caroline Farner 1999 gemäss Stadtratsbeschluss die Ehre eines nach ihr benannten Weges zuteil.

Aktivitäten

Ab 1879 hält sie medizinische Vorträge zur Hygiene in der Hygiene- und Sittlichkeitsbewegung, kämpft für bessere Löhne für die Arbeiter, und besonders auch für die Frauen. In dieser Zeit lernt sie Anna Pfrunder kennen. Sie freunden sich an und Anna zieht zu Caroline, hilft mit in Praxis und Klinik und besorgt ihr den Haushalt, den sie jetzt an der Bahnhofstrasse 66 hat.

  • 1886: Beitritt Schweizer Frauenverband wo sie zur Präsidentin gewählt wird und damit auch die Verantwortung der Monatszeitschrift „Die Philantropin“ übernimmt.
  • 1887: gründet sie ein Stellenvermittlungsbüro für weibliche Hausangestellte, organisiert Nothelferkurse und eröffnet für Minderbemittelte eine unentgeltliche Frauenklinik an der St. Annagasse.
  • 1889: gibt sie 30'000.- Fr. als Startkapital an die Eröffnung der Kurhauses und Erholungsheimes „Fraternité“ für Frauen in Urnäsch.

Bilder

Weblinks

Wikipedia-logo.png Der Wikipedia-Artikel zu Caroline_FarnerW ist bestimmt ausführlicher.
Hier im L-Wiki gibt es das Wichtigste aus (schweizerischer) lesbengeschichtlicher Sicht.
 

Literatur

  • Marti, Madeleine. Caroline Farner und Anna Pfrunder: Ein moderner Hexenprozess. Das Netz von Lebensgemeinschaft und Solidarität. In: Howald, Stefan (Hrsg.). Projekt Schweiz. Vierundvierzig Porträts aus Leidenschaft. Zürich, Union Verlag, 2022. S.186-195.
  • Meili, Matthias. «Präsidentin einer Phalanx kampfbereiter Damen». In: TagesAnzeiger, 31. Juli 2014. Online verfügbar auf tagesanzeiger.ch, zuletzt aufgerufen am 31.7.2023
  • Engelhard, Marc. Guntershausen: Wiege einer Heldin. In: Tagblatt, 15. Juni 2011. Online verfügbar auf tagblatt.ch, zuletzt aufgerufen am 31.7.2023
  • Schnurrenberger, Regula. Artikel zu Caroline Farner, Anna Pfrunder. Zürich, 2002. Online als pdf auf lesbengeschichte.de verfügbar, zuletzt aufgerufen am 30.11.2022
  • Keller, Rosmarie. „Ich bereue nicht einen meiner Schritte“: über das Leben und das mutige Wirken der Feministin und zweiten Ärztin der Schweiz. Zürich, Pendo Verlag, 2001.
  • Streiter, Sabina. Caroline Farner (1842-1913). In: Ebenso neu als kühn. 120 Jahre Frauenstudium an der Universität Zürich. efef-Verlag, Zürich, 1988, S. 150-152.
  • Kurzer Nachruf Dr. med. Caroline Farner. In: Frauenbestrebungen, Organ der deutsch-schweizerischen Frauenbewegung, 5/1913, S. 34. Online verfügbar auf e-periodica.ch , zuletzt aufgerufen am 31.7.2023
  • Dr. med. Caroline Farner. Nachruf in 2 Teilen. In: Frauenbestrebungen, Organ der deutsch-schweizerischen Frauenbewegung, 7/1914, S. 53-54. Online verfügbar auf e-periodica.ch und 8/1914, S. 62-63, online verfügbar auf e-periodica.ch, zuletzt aufgerufen am 31.7.2023
  • Bindschedler, Ida. Dr. Caroline Farner, 1842-1913. 75 Seiten. Zürich, 1913. (Mitwirkung von Berthe Kollbrunner-Lehmann)

Einzelnachweise

  1. Nachruf Dr. med. Caroline Farner. In: Frauenbestrebungen, 7/1914, S. 53.