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"Barbara war bis vor kurzem eine sozial Geächtete. Erst seit 1978 ist sie nicht mehr bevormundet. Bis dahin war sie die meiste Zeit eingesperrt in Erziehungsheimen, Gefängnissen und psychiatrischen Kliniken. Sie wurde zur Alkoholikerin und zur Prostituierten, die schwerste Ablehnung und Bestrafung erlebte sie aber als Lesbierin. Doch keiner Gewalt war es gelungen, sie völlig anzupassen. "Ich hatte immer gern das, was stört" meint Barbara mit ihrem merkwürdigen Herrenhaarschnitt (Stil "kesser Vater"). Andererseits vertritt sie auch durchaus kleinbürgerliche Wünsche und Vorstellungen. Etwa dort, wo sie dem Regisseur und der Schauspielerin Serena, zu erklären versucht, wie sie es jeweils anstellte, in einer Bar eine sexuelle Partnerin aufzureissen. Vergeblich versucht Serena, die diese wie andere Szenen aus dem Leben Barbaras gemäss der ursprünglichen Intention des Autors nachspielen soll, dies nachzuempfinden und darzustellen, Serena empfindet anders — wenn auch nicht weniger rebellisch (und ebenso sentimental). Auch der Regisseur, der eingreift, kann die Kommunikationsprobleme nicht lösen und gibt seine Hilflosigkeit zu. <br />
 
"Barbara war bis vor kurzem eine sozial Geächtete. Erst seit 1978 ist sie nicht mehr bevormundet. Bis dahin war sie die meiste Zeit eingesperrt in Erziehungsheimen, Gefängnissen und psychiatrischen Kliniken. Sie wurde zur Alkoholikerin und zur Prostituierten, die schwerste Ablehnung und Bestrafung erlebte sie aber als Lesbierin. Doch keiner Gewalt war es gelungen, sie völlig anzupassen. "Ich hatte immer gern das, was stört" meint Barbara mit ihrem merkwürdigen Herrenhaarschnitt (Stil "kesser Vater"). Andererseits vertritt sie auch durchaus kleinbürgerliche Wünsche und Vorstellungen. Etwa dort, wo sie dem Regisseur und der Schauspielerin Serena, zu erklären versucht, wie sie es jeweils anstellte, in einer Bar eine sexuelle Partnerin aufzureissen. Vergeblich versucht Serena, die diese wie andere Szenen aus dem Leben Barbaras gemäss der ursprünglichen Intention des Autors nachspielen soll, dies nachzuempfinden und darzustellen, Serena empfindet anders — wenn auch nicht weniger rebellisch (und ebenso sentimental). Auch der Regisseur, der eingreift, kann die Kommunikationsprobleme nicht lösen und gibt seine Hilflosigkeit zu. <br />
Doch gerade die oft quälend wirkende Unmöglichkeit einer verbalen Verständigung mit Barbara bringt sie uns näher, lässt verstehen, welchen Preis sie für ihre Selbstbehauptung zahlen musste: Isolation. Wir können auch hoffen, dass aktuelle Proteste, wie sie Serena verkörpert, (ausserdem ist der Film selbst ein solcher Protest), dadurch, dass sie kollektiv erfolgen, nicht diesen Verlauf nehmen. "Erklärende" Kommentare und Szenen z.B. die eingeschobenen Vignetten, die exemplarisch Szenen aus dem Familienleben der Fünfzigerjahre (der Jugendzeit des Fuilmers) zeigen - die zeitliche Distanz soll die Rigidität bürgerlicher Normen und Sanktionen spürbar machen - bleiben hingegen unbefriedigend. 'Das ganze Leben' ist gerade dort am überzeugendsten, wo die Inszenierung eines Porträt-Fuilms zum Scheitern gebracht wird und durch die zerfallende Struktur das Hier und Jetzt aller Beteiligten ins Zentrum rückt. Marianne Meier." <ref>Meier, Marianne. Solothurner Filmtage: Filme von, mit und über Frauen. In: Emanzipation, 2/1983, S. 14-15. Online verfügbar auf [https://dx.doi.org/10.5169/seals-359890 e-periodica], zuletzt aufgerufen am 24.12.2022 </ref>
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Doch gerade die oft quälend wirkende Unmöglichkeit einer verbalen Verständigung mit Barbara bringt sie uns näher, lässt verstehen, welchen Preis sie für ihre Selbstbehauptung zahlen musste: Isolation. Wir können auch hoffen, dass aktuelle Proteste, wie sie Serena verkörpert, (ausserdem ist der Film selbst ein solcher Protest), dadurch, dass sie kollektiv erfolgen, nicht diesen Verlauf nehmen. "Erklärende" Kommentare und Szenen z.B. die eingeschobenen Vignetten, die exemplarisch Szenen aus dem Familienleben der Fünfzigerjahre (der Jugendzeit des Filmers) zeigen - die zeitliche Distanz soll die Rigidität bürgerlicher Normen und Sanktionen spürbar machen - bleiben hingegen unbefriedigend. 'Das ganze Leben' ist gerade dort am überzeugendsten, wo die Inszenierung eines Porträt-Films zum Scheitern gebracht wird und durch die zerfallende Struktur das Hier und Jetzt aller Beteiligten ins Zentrum rückt. Marianne Meier." <ref>Meier, Marianne. Solothurner Filmtage: Filme von, mit und über Frauen. In: Emanzipation, 2/1983, S. 14-15. Online verfügbar auf [https://dx.doi.org/10.5169/seals-359890 e-periodica], zuletzt aufgerufen am 24.12.2022 </ref>
    
== Aufführungen ==
 
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