Villa La Filanda: Frauenkulturzentrum und Ferienhaus in Italien, geöffnet jeweils von Ostern bis Ende Oktober, 1995-2000
Regula Wagner und Sibylla Giger eröffneten im Sommer 1995 das Landhaus bei Acqui Terme im Piemont. Die Initianntinnen haben die Villa aus der Jahrhundertwende in einen "Aktionsort für Musikerinnen und andere Kulturschaffende, in einen Urlaubsort für Müde und Genussgeniessende" verwandelt. [1].

Titel Jahreszeitung 1996

Geschichte

Entstehungsgeschichte

Aus der Jahreszeitung 1996:

"arbeitslosigkeit und kulturelle visionen führen regula wagner, musikerin, gastronomin und sibylla giger. musikerin, metallbearbeiterin auf die suche nach einem haus auf dem lande: hell und freundlich, mit reichlich zimmern und werkräumen, in der nähe einer stadt, mit bäumen und garten, zu einem erschwinglichen preis. ein zentrum soll entstehen: aktionsort für musikerinnen und andere kulturschaffende. urlaubsort für müde und genuss-geniessende. 
die lange suche endet in acqui terme, einer stadt voller altertümlich- und eigentümlichkeiten im piemont: da, wo die trauben für die berühmtesten italienischen weine wachsen. wo allerlei kulinarische köstlichkeiten den tisch decken.
die bekanntschaft einer gräfin des ortes führt zu weiteren bekanntschaften mit namhaften persönlichkeiten, die uns, unserer idee allesamt wohlgesinnt, tatkräftig bei der suche nach dem geeigneten objekt, dem kauf, dem umbau, in rechtsfragen undsoweiter unterstützen. so sind wir an die villa la filanda gelangt, deren zustand, lage, ausstrahlung unseren vorstellungen für ein kulturzentrum entspricht, die kaufverhandlungen mit den besitzerinnen, zwei ältere schwestern aus dem städtchen, sind lange und zermürbend, aber schliesslich erfolgreich. im januar 1995 wird der vorvertrag unterschrieben, und mitte märz beginnen die umfangreichen umbauarbeiten, die neue und ungewohnte herausforderungen an uns stellen, plötzlich sind wir architektin, bauzeichnerin, schreinerin, glaserin, gartenbauerin, malerin, gipserin, schwergewichtsheberin, müllentsorgerin und raumpflegerin in einem. mit der hilfe eines bauunternehmens und zahlreicher freundinnen wandelt sich die heruntergekommene villa innert drei monaten in ein attraktives anwesen. all den helferinnen unseren ganz innigen dank - siehe liste links [Namen aufgeführt in der Jahreszeitung]. gleichzeitig wird die werbung kreiert und verschickt, erste buchungen treffen alsdann ein.
die finanzierung des zentrums ist ein glücksfall: das resultat eines telefongesprächs, das ein darlehensangebot einer schweizerbank, die hier nicht genannt werden will, zum Inhalt hat. das darlehen wird zweifach sichergestellt mit grundpfandrechten, die bei der bank liegen und kleinsolidarbürgschaften. die von 180 menschen aus unserem umfeld geleistet werden. ihre narnen findet ihr in der liste rechts [Bezieht sich ebenfalls auf die Jahreszeitung]. auch ihnen unsere tiefe dankbarkeit."

Verein Auguri

Eröffnungsfest

Das Eröffnungsfest fand am 23. Juni 1995 statt. Doch nicht nur das, als "ganz grosser Tag" wird er in der Jahreszeitung 1996 bechrieben: "am morgen beendigung der putzarbeiten, am nachmittag überschreibung des hauses beim notar, am abend treffen die ersten gästinnen zum eroffnungswochenende ein. doris kocht köstlich für uns und die cellistin mariannne kipp lädt zur musikalischen soirée."

Haus & Betrieb

Das Haus lag 2km vom Stadtzentrum von Acqui Terme und 300m von dessen berühmten Jugendstilthermen entfernt. Zum Haus gehörten zwei Hektaren Wiese, wuchernde Wildnis, uralter Baumbestand.
Der Pensionsteil der Villa hatte sieben grosse helle Schlafzimmer, 15 Betten, 2 Duschräume, 2 Wohnküchen zur Selbstversorgung, 1 grosser Gemeinschaftstraum mit Bibliothek, TV-Video und Stereoanlage. Handtücher und Hausschuhe mussten mitgebracht werden.
Mitfrauen des Fördervereins Auguri erhielten 10prozentige Ermässigung auf die Übernachtungskosten.[2]
Im November 1995 gestalten acht Künstlerinnen und Gestalterinnen aus der Schweiz die Räume der Villa: Barbara Leuthold, April Jones, Anita Mendler, Katrin Maria Laskowski, Sandra Capaul, Eva Rohner, Ursula Fleck, Hélène Kaufmann Wiss, Sibylla Giger, Marianne Kipp
Der Betrieb war von Ostern bis Ende Oktober, für Gruppen war das Haus - dank der Zentralheizung - auch im Winter geöffnet.
Ein Musikraum, ca. 40m2, hell mit Blick ins Grüne, Holzboden konnte wochenweise gemietet werden, ebenso die darin befindlichen Instrumente: Schlagzeug, Bass und Verstärker, Passivbassboxen, Gitarrenverstärker, Gesangsanlage, zwei Monitoren, Keyboard, Ballofon, Kleininstrumente, digitales Aufnahmegerät, Raummikrofone.
Alljährlich vor dem Saisonstart gab es einen Frühjahrsputz und Auffrischarbeiten wurden gemacht. Dazu bot filanda den Helferinnen freie Übernachtung im 2-Bett-Zimmer und ein Empfangsdiner. Für einen Unkostenbeitrag von 100 Franken (Essen und Energie) wurden Frauen gesucht, die fünf bis sechs Stunden pro Tag mitarbeiteten.

Das Ende

Ende Oktober 2000 schliesst la filanda die Türen. Die Gründe reichen von finanziellen Problemen wegen mangelnden Buchungen bis zu Aufenthaltsproblemen der schweizerischen Betreiberin.[3] Der Hinweis in der die schliesst mit dem unfertigen Satz: "Sie möchte aber..." - Wer kann das Geheimnis lüften, was sie denn möchte?
Vielleicht war die Jahresendwoche mit Silvesterfeier gemeint, die Regula Wagner ganz zum Schluss noch initiierte.

Programm

1995: 1995 gab es noch kein Kursprogramm, jedoch kamen bereits zahlreiche Feriengästinnen, Kürsleiterinnen mit eigenen Gruppen und Dozentinnen, welche sich das Haus und die Infrastruktur anschauten, um später Kurse durchzuführen. "die zahl der buchungen - über fünfhundert übernachtungen in 4 monaten - bestätigt unsere idee, dass ein ort wie dieser eine lücke in den entfaltungsmöglichkeiten von frauen füllen wird. die visionen von einst sind in die wirklichkeit überführt; und in anbetracht des uns bisher entgegengebrachten interesses, lobes, sogar ein bisschen neides von frauen, die solch einen ort schon lange suchen, sind wir zuversichtlich."[4]

1996: compositional techniques for improvisation - jazz, funk, free (Aldrige Hansberry), Afrocubanische Percussion zur Pop-Musik (Anne Breick), Bandworkshop Rock/Funk/Soul Annette Kayser), Liebeslieder - freche Gesänge (Brigitte Schär), Freie Improvisation in der Big Band (Marianne Kipp).
Angeboten wird ausserdem Theoretisches (zur theoretischen Reflexion und künstlerischen Umsetzung aktueller feministischer Positionen mit Marion Strunk und Simone Ch. Wicki), Bildend-Künstlerisches (Installationskurs mit Marion Strunk und Simone Ch. Wicki), eine Schreibwerkstatt mit Jutta Heinrich und - Örtlichkeit verpflichtet - ein Italienischkurs mit Antonella Piazza.

1997:

1998:

1999:

2000: Trommeln und Bodypercussion (Anita Rahm); Musiques plurielles, Improvisationsworkshop (Joëlle Léandre), Energie-Intensivtage (Claudia Stricker), Didgeridoo für Anfängerinnen (Tanja von Heintze), eine italienisch Mini-Oper für experimentierfreudige Musikerinnen (Brigitte Meyer)

Bilder

Erinnerungen

  Elisabeth Harnik zum Thema La Filanda[5] .
In den 1990er-Jahren durfte ich Léandre [Joëlle Léandre] erstmals persönlich erleben. Ich nahm zwiemal an ihrem Kurs »Musiques plurielles« im Frauenkulturzentrum La Filanda in Italien teil. Die aus der Schweiz stammende Perkussionistin Regula Wagner leitete damals das Zentrum. Sie wurde bald danach eine langjährige musikalische Partnerin in meinen Anfängen als Improvisatorin.
Der Kurs in La Filanda wurde für Musikerinnen ausgeschrieben. Ich erinnere mich noch heute an den »Leitspruch« der rebellischen Kursleiterin Léandre, den sie uns jungen Frauen eindringlich weitergab: »Take the risk and surprise yourself!« Als freiberufliche Bassistin am Rande des Kulturbetriebs müsse man kämpfen. Auch heute noch kann ich in der erfahrenen Musikerin ihren Kampfgeist spüren, obwohl sie längst international etabliert ist. Der Besuch ihrer Kurse hat mich sowohl als Musikerin als auch als Frau in einem männerdomninierten Berufsfeld gestärkt.

Einzelnachweise

  1. "villa la filanda" - Frauenkulturzentrum und Freienhaus im Piemont. In: Emanzipation 2/1996, S. 23
  2. La Filanda - ein Platz an der Sonne. In: die, 3/1997, S. 27
  3. die 17/2000, S. 39
  4. Jahreszeitung 1996
  5. Elisabeth Harnik, Über die Stellung von Frauen am Theater und mich - Schauspielerin, Regisseurin, Lehrende, S. 182. In: Kunst/Erfahrung: Wissen und Geschlecht in Musik, Theater, Film. Herausgegeben von Andrea Ellmeier, Doris Ingrisch, Claudia Walkensteiner-Preschl. mdw Gender-Wissen, Band 7, Wien 2019.