Was ist eine Bar? Was macht sie aus? Das Ambiente mit dem schummrigen Licht, die Musik im Hintergrund, der “erhöhte Schanktisch mit den dazugehörigen hohen Hockern”[1], die Getränke oder die Leute vor und hinter der Bar? Und was ist der Unterschied zu einer Lesbenbar? Nur das Publikum?

Erzähbar - Lesbengeschichte live: Lesbenbars, 13.3.2020

Erzählbar: Lesbengeschichte live

Am 13. März 2020 organisierte das L-WiKi zusammen mit dem Sappho-Verein die "Erzählbar - Lesbengeschichte live: Lesbenbars damals und heute" in der a.part Bar in Zürich. Eingeladen zum Erzählen waren drei Frauen mit Bar-Erfahrung: Conny Scherrer (Venus Bar), Mireille Humbert (a.part Bar) und Nathalie Schaltegger (Barfrau im Cranberry). Moderiert wurde der Abend von Corinne Rufli und Natalie Raeber vor ca. 40 Besucherinnen.

Der Ort: Lesbenbar

 
Hallo Bar im FZ Zürich

Wie muss eine Bar sein und was macht eine Lesbenbar aus?
Eine Bar soll ein schöner Ort sein, wo Frauen sich treffen können und zusammen eine schöne Zeit haben. (Conny Scherrer)
Als Barfrau bist du Gastgeberin und schaust, dass sich die Frauen wohl fühlen. Das bedeutet auch, dass Frauen, die alleine kommen eine gute Zeit haben. (Nathalie Schaltegger)
Die Aufgabe einer Barfrau ist klar: die Frauen solle eine gute Zeit haben. Idealerweise ist eine Bar sexy, dunkel, french. (Mireille Humbert)

Lesbenbars waren immer schon wichtige Treffpunkte. “Die lesbische Bar hatte im Prozess des Sichtbarwerdens lesbischer Existenz bisher die bedeutendste Funktion. Sie war der Ort, an dem eine Frau sicher sein konnte, andere lesbische Frauen zu treffen, ein Ort, an dem sie sich nicht verbergen musste. (…) Ruth Margareth Roellig [“Berlins lesbische Frauen”, Leipzig o.J. 1928 oder 1929] nennt die Gründe, warum lesbische Frauen diese Lokalitäten besuchen, in denen sie ‘frei von jeder gesellschaftlichen oder beruflichen Rücksicht, sich einmal für kurze Stunden “unter sich” fühlen’ (S. 12f.) (…). Die Lokale der Weimarer Zeit hatten sich auf ein jeweils unterschiedliches lesbisches Publikum spezialisiert und unterschieden sich iml Hinblick darauf, ob sie nichtlesbische Publikum aufnahmen.” [2]
Karin Moser befragte 1997 die Besucherinnen der Venus Bar nach den Motiven des Barbesuches und die häufigsten Antworten waren[3]:
- "Hier kann ich so sein, mich so geben, wie ich bin"
- "Da muss ich keine Angst haben, von Männern angemacht zu werden"
- "Ich treffe mich hier mit Freundinnen”

Über 20 Jahre später sind die Gründe immer noch dieselben [4]:
- "Der Vorteil einer Lesbenbar ist, dass ich mich mit meiner Partnerin in "meiner Welt" bewege und keine Kommentare wie 'seid ihr Schwestern?' hören muss."
- "Ich kann mit meiner Freundin hingehen ohne dumm angemacht zu werden. Ich kann neue Frauen kennen lernen und flirten."

Die Barbesucherin & die Theke

 
In der Venus Bar

Die Bartheke ist sozusagen der öffentliche Bereich innerhalb des Raumes, der exponierteste Bereich - jedoch mit Einschränkungen, was die Interaktionen betrifft. Die Theke ragt in den Raum hinein, ist der am hellsten beleuchtete Teil der Bar. Diejenigen, die hier sitzen, sind als erste im Blickfeld der neu eintretenden Gästinnen. Sie sitzen zudem auf ihren Barhockern, ohne Lehne, etwas erhöht und können von den meisten anderen Gästinnen gesehen werden, da diese am selben Rund sitzen, oder hinter ihrem Rücken. Was sich hinter dem Rücken abspielt, sieht frau meist nicht. Die Höhe der Hocker kann aber ebenfalls das Gefühl vermitteln, den Überblick, die Kontrolle über den Raum zu haben.[3]

Frauen gehen als Paar, mit Freundinnen oder alleine in eine Bar. Alleine setzt sich die Besucherin wohl an die Bar, um einen guten Blick auf den restlichen Raum zu haben und die anderen Frauen im Raum oder beim Hereinkommen zu betrachten. Vielleicht setzt sie sich auch zur Theke hin, dass sie mit der Barfrau gut reden kann oder sie senkt sinnierend den Blick auf das Getränk vor sich auf der Theke. Nicht jede geht gerne alleine in eine Lesbenbar, aber nicht unbedingt weil sie Angst vor Anmache hat: "(…) aber ein neues Gesicht fällt auf und wird sofort taxiert. Da braucht es Selbstbewusstsein.", sagt Fab Syz in einem Interview in Facts.[5]

“Frauen, die alleine in die ‘Venus’ kommen setzen sich meist an die Theke; hier können sie mit anderen Gästinnen oder mit der Barfrau ins Gespräch kommen, vielleicht erscheint später noch eine Frau, die sie kennen. Auch wenn Frauen verabredet sind, sitzen sie meist an die Bar, v.a. wenn sie nur schnell etwas miteinander trinken wollen und danach vielleicht noch etwas unternehmen, oder auch, wenn sie einen unterhaltsamen Abend unter anderen Frauen verbringen möchten. Wenn sie mehr für sich sein wollen, wartet die zuerst Angekommene manchmal schon an einem Tischchen, oder sie wechselt den Platz von der Bar an einen Tisch, wenn die andere Frau reinkommt. Wenn an den Tischen kein oder nicht genügend Platz mehr ist, bleiben sie an der Theke sitzen, signalisieren aber, dass sie kein grosses Interesse haben, mit den anderen Frauen zu kommunizieren.” [3]

So wenige Lesbenbars

Doch leider sind Lesbenbars rar. Weder in der Schweiz noch in den US-amerikanischen[6] oder europäischen Grossstädten gibt es täglich geöffnete Lesbenbars. Scheitert es immer (noch) daran, dass (zu) viele Frauen wenig in den Ausgang gehen oder dann wenig konsumieren - und durchschnittlich immer noch fast einen Viertel weniger verdienen als die Männer? In den 1980er und 1990er Jahren - der Hochblüte der Lesbenkultur [7] - fanden die grossen Tanzevents in Zürich wie Tanzleila oder Le bal regelmässig an Sonntag-Abenden statt. Die Miete für das Lokal war dann billiger und diese konnte dann mit niedrigeren Getränkepreisen bezahlt werden. 1995 wird Vivianca Wirz von der HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich) im Tages-Anzeiger zitiert: "wobei auffällt, dass bei den Lesben in der Regel weniger Geld da ist als bei Schwulen. Für Lesben ist das Angebot in Zürich bescheiden. Im Vergleich etwa zu Amsterdam oder Berlin ist Zürich Provinz. Es gibt nur eine Lesbenbar. Auch darin spiegelt sich die Nicht-Wahrnehmung der Lesben durch die Gesellschaft. [8]

Die Venus Bar jedenfalls versuchte das Ende mit einem offenen Abend für Männer abzuwenden. Auf die Dauer gelang das leider nicht, und so schloss die Venus Bar Ende 1998 / Anfang 1999 ihre Türen.
Fast 20 Jahre später ist das Thema immer noch dasselbe: “Eine Lesbenbar wäre toll, meint [Dana, 28], aber im Gegensatz zu den Männern seien die Frauen einfach weniger trinkfreudig. Ausserdem blieben sie abends gerne auch mal zu Hause, wenn sie eine Partnerin hätten, während schwule Paare viel lieber ausgingen.” [9]

Die 1. Erzählbar zum Thema "Lesbenbars" fand an dem Abend statt, an welchem der Bundesrat wegen des Corona-Virus die ersten grossen einschneidenden Massnahmen bekannt gab: Keine Veranstaltungen mehr über 50 Personen. Wir befolgten diese Regel. Zwei Tage später kam die Verschärfung: Abstand, nur noch Gruppen von fünf Personen oder solche, die im selben Haushalt leben. Keine Veranstaltungen, keine sozialen Zusammenkünfte. Alle merkten, wie wichtig Interaktion ist - und virtuelle nur einen Teil davon abdecken kann. Lesbenbars sind wichtige Orte für und in der Kultur von Lesben. Wir werden sehen, wie sich diese Geschichte weiter entwickelt.

“In manchen Städten bewege ich mich mit einem fiktiven Stadtplan im Kopf. An bestimmten Plätzen, Strassenecken, vor manchen Häusern werden feministische «Songlines» aktiviert: Hier war der Frauenbuchladen, die Frauenkneipe, die Lesbenbar, dieses Frauenzentrum, jener Frauenverlag. In meiner Erinnerung lebt die Intensität, die Qualität des Anfangs fort. Als wir glücklich waren, einander zu sehen, um neues Wissen zu erfahren. Es hat nicht aufgehört. Wir können nicht aufhören, Dinge zu erfinden. Einige können auch nicht aufhören, glücklich zu sein, wenn sie sich sehen, trotz alledem. “ Verena Stefan, 2008[10]

Lesbenbars: Übersicht

fett = 2020 noch offen

Zürich

  • a.part (seit 2007)
  • Barfüesser, mit einer “Ecke” für die Lesben (seit den 1960er Jahren) - ab Herbst 2022 mit dem neuen Namen kweer
  • Bodega-Bar - jeden Donnerstag stand eine Lesbe hinter der hinteren Bar (1990er ?)
  • Buvette an der Zweierstrasse, jeden Samstag offen - 5 Jahre lang (?-?)
  • Cranberry - im 1. Stock (sicher 2002-2005)
  • Die zwei - Bar und Disco (?-1991)
  • HalloBar im Frauenzentrum (?-1999)
  • Held*innenb*ar - im Feministischen Streikhaus - für FTIQ*, immer am 17. des Monats (seit 2019)
  • Longstreet Bar (im 1. Stock) (?-?)
  • Schnägge Club, Zypressenstrasse - sehr romantisch (?-?)
  • Venus Bar - die einzige Lesbenbar, die täglich offen war (1996-1998)
  • Wybernet-Bar am ZHPF (Pride Zürich) (2012 und seit 2014)
  Isabel Morf zum Thema Die Frauenbar .
Einer der nicht allzu zahlreichen Frauentreffpunkte Zürichs ist die Frauenbar im Frauenzentrum, die jewels am Freitagabend offen ist. Es gibt sie schon seit einiger Zeit, und sie wird von einer Gruppe von sieben bis zehn Frauen geführt - in Fast-Gratisarbeit. Zum Thema Widerstand sagt Marianne, eine der Barfrauen: «Ich verwende meine Energien lieber dafür, etwas für Frauen zu machen als darauf, gegen etwas zu kämpfen.» Widerstand in Form einer Alternative also - und die ist im Bereich Treffpunkte und Nachtleben besonders nötig, denn die üblichen Bars sind fest in Männerhand; Frauen verlieren dort automatisch den Status «Autonome Person» und werden nur als Objekt wahrgenommen.

Die Frauenbar ist ein Treffpunkt für Lesben, aber es sind auch Heteras willkommen, engagierte Feministinnen wie «Nur-Konsumentinnen» besuchen sie, Frauenzentrumsbenutzerinnen und auch Frauen, die man nur am Freitagabend im FZ sieht. «Die Bar ist auch ein Ort der Identifikation für Lesben», sagt eine Besucherin, «ein Ort, an dem Lesbischsein selbstverständlich ist, nicht versteckt werden muss».
Die Energien positiv, für etwas einsetzen will Marianne, und doch sind die Barfrauen im Moment verstrickt in einen Kampf gegen Hindernisse, in eine Art von Auseinandersetzung, die sie eigentlich nicht wollen. Die Wirtschaftspolizei ist aufmerksam geworden auf sie, was bedeutet, dass sie sich nun um eine offizielle Bewilligung bemühen müssen. Ein langwieriges Unterfangen, sich an Gesetze anpassen zu müssen, die absolut nicht zugeschnitten sind auf die Bedürfnisse und Besonderheiten der Frauenbar. Die Barfrauen fordern: «Alternative Treffpunkte müssten nach anderen Kriterien beurteilt werden als kommerzielle Lokale». Eine utopische Forderung. Dennoch: Die Frauenbar ist weiterhin geöffnet.[11]

Bern

Basel

Luzern

Schweizer Filme mit Lesbenbar-Szenen

Filme zu Lesbenbars (weltweit)

Literatur

  • Kokula, Ilse. Formen lesbischer Subkultur. Vergesellschaftung und soziale Bewegung. Berlin, Verlag Rosa Winkel, 1983.
  • Moser, Karin. Die Frauenbar Venus: Eine ethnographische Beschreibung. Seminararbeit Uni Zürich, 7. Februar 1997, unveröffentlicht.

Einzelnachweise

  1. Bar, die. Stichwort im Duden. Online verfügbar auf duden.de, zuletzt aufgerufen am 29.6.20232
  2. Kokula, Ilse. Formen lesbischer Subkultur. Vergesellschaftung und soziale Bewegung. Berlin, Verlag Rosa Winkel, 1983. S. 15f.
  3. a b c * Moser, Karin. Die Frauenbar Venus: Eine ethnographische Beschreibung. Seminararbeit Uni Zürich, 7. Februar 1997.
  4. Aussagen an der Erzählbar vom 13.3.2020
  5. Lesben sind keine Männerhasserinnen. Facts, 28.9.2006
  6. Die Ausnahme, die die Regel bestätigt: Henrietta Hudson in New York
  7. Name eines Lesbenspaziergangs in Zürich
  8. "Wo im Schulbuch sind Schwule und Lesben?" 25 Jahre Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich (HAZ): Rückenstärkung für die Gays. Tages-Anzeiger, 13.6.1996
  9. Dana (28) ein Partygast der letzten Konliki im April. In: Lesbische Renaissance im Dörfli. Tages-Anzeiger, 29.7.2017
  10. Stefan, Verena. Tastaturen. In: Der Bund, 16.8.2008.
  11. FraZ, Nr. 29, März/April/Mai 1989, S.7