1997 wurde das Filmfestival Pink Apple von fünf schwulen Männern in Frauenfeld gegründet, später kam eine Lesbe dazu. Seit den Eurogames 2000 in Zürich findet das Festival in Zürich und Frauenfeld statt und ist zu einem Festival mit mittlerem Budget im nationalen Vergleich geworden und zum grössten der queeren Schweizer Filmfestivals.

Geschichte

In den Jahren 1998 und 1999 fand das Pink Apple, schwullesbisches Filmfestival, im Cinema Luna in Frauenfeld statt. Die Filmauswahl entsprach weitgehend dem persönlichen Geschmack der Initiant:innen und natürlich auch den Möglichkeiten, die der Filmmarkt bot.
Ende der 1990er Jahre gab es in der Filmproduktion noch sehr viel weniger Filme mit lesbischem Focus als mit schwulem Focus. Das Verhältnis zwischen Männer- und Frauenfilmen war im ersten Programm nicht ausgeglichen, zwei Filmen und einem Kurzfilm auf Lesbenseite standen sechs Filme auf Schwulenseite gegenüber, der Film «The Celluloid Closet» beschäftigte sich mit der Darstellung von LGBT in der Geschichte des Films.
Das erste Festival erfüllte seinen Zweck so gut, nämlich selbstbewusst und positiv Öffentlichkeit für Homosexualität herzustellen, dass bereits im zweiten Jahr einige Gegner:innen öffentlich dagegen auftraten. Im Kanton Thurgau gab es christlich evangelikale Gruppierungen, welche Homosexualität ablehnten.

In Zürich wurde im Jahr 2000 mit den Eurogames ein lesbisch-schwuler Grossanlass organisiert. Die Sportveranstaltungen wurden von einem kulturellen Rahmenprogramm begleitet, welche der neu gegründete Verein «Warmer Mai» organisierte. Da der «Warmer Mai» den Filmteil nicht selber übernehmen konnte, wurde ein Aufruf lanciert und Pink Apple Frauenfeld meldete sich.

Stärkere Beteiligung der Lesben

Um die Organisation in Zürich zu stärken, wurden weitere Aktive gesucht und gefunden. Marianne Dahinden vermittelte den Kontakt zu Doris Senn und Natalie Eberle, welche zuvor Jahre im «Frauenkino Xenia» mitgearbeitet hatten. Doris Senn wurde Teil des Kern- und Leitungsteams und programmierte, nebst den Leitungsaufgaben, von 2001 bis 2020 die Lesbenfilme und in Kooperation übergreifende thematische Veranstaltungen von Pink Apple. Natalie Eberle arbeitete gleichzeitig in unterschiedlichen Funktionen bei Pink Apple, so vor allem bei der Visionierung der Filme und der Auswahl des Lesbenprogramms, im Sponsoring, aber auch in der Trailer-Produktion.

Engagement für die Community und professionelles Filmfestival

Wie der Zweckartikel zeigt, wurden mit dem schwullesbischen Filmfestival Pink Apple zwei Ziele angestrebt: für die Community relevante Filme zu zeigen und Treffpunkt für queere Menschen zu sein, der auch anderen Leuten offen stand. Es entwickelte sich ein offenes Forum mit viel Raum für Begegnungen und Austausch zwischen den Besuchenden innerhalb und ausserhalb der Kinos.

Ein Fokus zu lesbischem Schaffen

Ein Beispiel für eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Werk einer Künstlerin ist der Fokus, den Pink Apple 2013 auf die südafrikanische Fotografin, Filmemacherin und Aktivistin Zanele Muholi richtete. Neben der Vorführung ihrer beiden Kurzfilme «Enraged by a picture» und «Difficult love» war auch eine Fotoausstellung in der «Galerie Widmer + Theodoridis» in Zürich zu sehen. Dort fanden auch zwei Ateliergespräche mit der Künstlerin und Filmemacherin Zanele Muholi statt.

Untertitelung von lesbischen Filmen

Es gab immer wieder fremdsprachige Filme, welche das Team von Pink Apple unbedingt zeigen wollte, auch wenn sie weder synchronisiert waren noch deutsche Untertitel hatten. Die Lösung war, selbst mit Volontärinnen deutsche Untertitel zu erstellen. 2003 begann die Untertitelung bei Frauenfilmen im kleineren «Kino Movie 1» (etwa mit «By Hook or by Crook» oder «Lifetime Guarantee» – oder 2005 dann die brandneue Serie «L Word» Staffel 1 mit rund 12 Stunden Film in 13 Episoden, für ein lesbisches Binge Watching im Kinosaal) – und wurde nach wenigen Jahren auf beide Kinosäle ausgedehnt.

Zusammenarbeit von Lesben und Schwulen

Von Beginn weg war es der Gründungsgruppe aus schwulen Männern bewusst, dass dieses Projekt nur erfolgreich sein kann, wenn es aus der schwulen Subkultur heraustritt. Damit war nicht nur die Öffnung gegenüber der «Heterowelt» gemeint, sondern auch gegenüber Lesben und anderen queeren Gruppen. Gemeinsames Interesse war, über den Film die eigenen Kulturen zu zeigen und zu erleben. Die Ausrichtung und die Rahmenbedingungen des Filmfestivals wurden von Frauen und Männern gemeinsam bestimmt. Doch das Programm der Frauen und der Männer wurde von diesen selbst programmiert, in Absprache, aber ohne sich gegenseitig dreinzureden. Und natürlich gab es immer wieder Filme, die gemeinsam programmiert wurden, weil Themen, die die ganze Community betrafen.

In den ersten 25 Jahren sind rund 150 aktiv Mitarbeitende namentlich bekannt. Darüber hinaus haben zahlreiche Frauen und Männer das Pink Apple unterstützt.

Politikerinnen ehren Pink Apple

Prominente Personen, die Aufmerksamkeit generierten, waren vor allem in den ersten Pink Apple Jahren sehr wichtig. Bei der Eröffnung in Frauenfeld sprach die erste Thurgauer Regierungsrätin Vreni Schawalder, im zweiten Jahr sprachen Ruth Rutmann, damals Geschäftsführerin der Aids-Hilfe Schweiz, und der Thurgauer Staatsarchivar André Salathé.

2009 wurde mit «El niño pez» von Lucía Puenzo erstmals ein Lesbenfilm zur Eröffnung des Pink Apple im Kino Le Paris gezeigt. Zugleich war auch Corine Mauch mit auf der Bühne, welche als offene Lesbe für das Stadtpräsidium kandidiert hatte und 2009 zur ersten Stadtpräsidentin von Zürich gewählt worden war.

Preisträgerinnen des "Pink Apple Award"

Es entstand das Bedürfnis, eine besondere Würdigung für Personen zu schaffen, die nicht nur einen Film zur schwullesbischen Thematik geschaffen hatten, sondern kontinuierlich Geschichten auf die Leinwand brachten, die queere Realitäten thematisierten. So entstand der «Festival Award» für Verdienste im schwullesbischen Filmschaffen, der seit 2015 vergeben und von einer Werkschau dieser Filmschaffenden begleitet wird, die jeweils im Filmpodium Zürich zu sehen ist.
Bisher erhielten jeweils abwechselnd ein Mann und eine Frau diesen Preis.

  • Die bisherigen Preisträger:innen sind:

Lionel Baier (2015, Schweiz), Léa Pool (2016, Schweiz/Kanada), Rob Epstein & Jeffrey Friedman (2017, USA), Christine Vachon (2018), Rosa von Praunheim (2019, Deutschland), Ulrike Ottinger (2020, Deutschland) sowie Eytan Fox (2021, Israel) und Angelina Maccarone (2022, Deutschland).

  • 2016 wurde die schweizerisch-kanadische Regisseurin Léa Pool mit einer Retrospektive ihrer Werke im Filmpodium geehrt: «Anne Trister» (1986), «Emporte-moi» (1999), «Lost and Delirious» (2001) und «Maman est chez le coiffeur» (2008). Mit Christine Vachon erhielt eine Produzentin von Weltruhm 2018 den «Festival Award» für ihre Verdienste im schwullesbischen Filmschaffen: Eine Retro illustrierte auch hier ihr Wirken – mit Beginn im New Queer Cinema in den Neunzigern bis in die Aktualität: «Poison» (1991), «Go Fish» (1994), «Kids» (1995), «I Shot Andy Warhol» (1996), «Office Killer» (1997), «Boys Don't Cry» (1999), «Hedwig and the Angry Inch» (2001), «Far from Heaven» (2002), «Infamous» (2006), «Savage Grace» (2007), «Kill Your Darlings» (2013), «Carol» (2015), «My Days of Mercy» (2017).

Lesbische Highlights

Schon früh wurde damit begonnen, Perlen aus der Filmgeschichte zu zeigen, so beispielsweise «Mädchen in Uniform» in der Urfassung von Leontine Sagan (1931) oder die "Hosen-Rocken-Picture-Show", für die die Filmhistorikerin Mariann Lewinsky sehr unterhaltsame, aber auch augenöffnende Filmstreifen zu Crossdressing aus der Frühzeit des Films zusammenstellte. Es war teilweise schwierig, die 35-mm-Filmkopien zu erhalten, die nur in autorisierten Abspielstellen gezeigt werden durften. Doch entstand daraus als weitere Neuerung in der Festivalentwicklung die Zusammenarbeit mit dem «Filmpodium Zürich».

Von schwullesbischen zum queeren Filmfestival

Bereits zu Beginn wurde formuliert, dass unter einem «Schwullesbischen Filmfestival» ein «Querschnitt von schwulem, lesbischem, bisexuellem und transgender Filmschaffen» verstanden wurde. Dies wurde in den Programmen auch umgesetzt, das heisst thematisch war das Festival offener als seine Bezeichnung es ankündigte.

Ab 2004 wurden im Programm die Filme in Farbpunkten nach «lesbisch», «schwul» und «transgender» unterschieden. 2019 wurde der Zusatz zu Pink Apple in «schwullesbisches+ Filmfestival» erweitert. Damit wollte man zum einen stolz die die Selbstbezeichnungen «schwul», «lesbisch» weiterhin sichtbar machen, zugleich aber das Spektrum der Community, die sich zunehmend ausdifferenzierte, adäquat ausweiten.

Zum 25-Jahr- Jubiläum hat sich Pink Apple nun entschlossen, das «schwullesbisch+» durch «queer» zu ersetzen und heisst fortan «Pink Apple queeres Filmfestival». Damit wird gezeigt, dass sämtliche Farben der queeren Community erstrahlen, was in den letzten Jahrzehnten vom Festival zwar bereits gelebt, jedoch zu wenig nach aussen ausgestrahlt wurde. Die Filme werden in «Pink Apple Queeres Filmfestival» künftig in fünf Farben markiert: «lesbisch», «schwul», «transgender», «queer» und «intersex».

Die Trailer von lesbischen Regisseurinnen

Die ersten Trailer von 2004 bis 2007 stammten alle von Natalie Eberle, die mit den kleinen Geschichten dazu beitrug, dass Pink Apple ein witziges Gesicht bekam. Es folgte die Froschkönig-Animation von Risa Chiappori, Lukas Egger und Lawrence Grimm.

2009 übernahmen Alkmini Boura und Kerstin Polte die Produktion des Trailers. Kerstin Polte war anschliessend fünf Jahre dafür alleinverantwortlich, dass die Trailer dem Filmfestival eine emotionale und sehr charmante Note verpassten. Höhepunkt war 2010 der Film, der an diversen Orten in Zürich gedreht wurde und in dem verschiedene Darsteller:innen, die sich aus dem Umfeld von Pink Apple dafür gemeldet hatten, sich mit unzähligen pinken Accessoires in Szene setzten. Der Film wurde als normale Trailer Version und als «Extended Version» herausgebracht. Weil die Produktion so viel Spass gemacht hatte, gab es sogar noch ein «Making of».

Die späteren Trailer stammten von Piet Baumgartner, Tobias Stierli, Simone Vogel.

Auszeichnungen

 
Jacqueline Fehr übergibt die Goldene Ehrenmedaille an das Pink Apple Team
  • Gewinn des LGBT+ Awards an den Swiss Diversity Awards, 29. September 2018[1]
  • 2018 Goldene Ehrenmedaille des Kantons Zürich: "Mit Pink Apple würdigt der Regierungsrat eine kulturelle Veranstaltung, die die Auseinandersetzung mit der Diversität unserer Gesellschaft fördert und mittlerweile fester Bestandteil des hiesigen Kulturprogramms ist." [2] Übergabe am 17. April 2018 durch die Regierungsrätin Jacqueline Fehr im Kaufleuten Zürich.

Webseite

  Der Wikipedia-Artikel zu Pink AppleW ist bestimmt ausführlicher.
Hier im L-Wiki gibt es das Wichtigste aus (schweizerischer) lesbengeschichtlicher Sicht.
 


Literatur

  • Senn, Doris. Zwischen Sinnlichkeit und Avantgarde. Pink Apple, das schwullesbische Filmfestival, feiert im Mai sein 10-Jahr-Jubiläum. In: FraZ 1/2007.
  • Bruttin, Daniel; Marti Madeleine. 25-mal Pink Apple: schwullesbisches Filmfestival – queeres Filmfestival. Eine Erfolgsstory. Text zur Ausstellung im Kulturhaus Helferei, Zürich, und Cinéma Luna, Frauenfeld, vom 26.4.-5.5.2022. Als (pdf) verfügbar.

Einzelnachweise

  1. Reber, Dominique. Tweet, 29. September 2018. Online verfügbar auf Twitter, zuletzt aufgerufen am 17.12.2022
  2. Ehrenmedaillen seit 2000: 2018 pink apple. Auf: zh.ch, zuletzt aufgerufen am 17.12.2022