Villa Kassandra: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Name''': inspiriert von Christa Wolf's "Kassandra". Die Symbolik von der Vision und dem nicht gehört werden fanden sie passend. Doch auch der Name brauchte ein Wochenende Diskussion.
 
'''Name''': inspiriert von Christa Wolf's "Kassandra". Die Symbolik von der Vision und dem nicht gehört werden fanden sie passend. Doch auch der Name brauchte ein Wochenende Diskussion.
  
'''Ende''': Es schlichen sich Ermüdungserscheinungen ein - viel hatten die Gründerinnen gegeben, doch es kamen weniger Teilnehmerinnen (was vielleicht auch am Massenlager und dem gemeinsamen Badezimmer lag), Beziehungen waren zerbrochen und die neuen, jungen Teamfrauen blieben aus. Ein Jahr lang wurde ca. 1991 nach neuen Frauen gesucht. Doch die neuen wollten nicht so abgelegen wohnen und der Lohn war klein. Am Anfang gab es 500 Franken plus Kost und Logis, zum Schluss 2000 Franken plus Kost und Logis.
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'''Ende''': Es schlichen sich Ermüdungserscheinungen ein - viel hatten die Gründerinnen gegeben, doch es kamen weniger Teilnehmerinnen (was vielleicht auch am Massenlager und dem gemeinsamen Badezimmer lag), Beziehungen waren zerbrochen und die neuen, jungen Teamfrauen blieben aus. Ein Jahr lang wurde ca. 1991 nach neuen Frauen gesucht. Doch die neuen wollten nicht so abgelegen wohnen und der Lohn war klein. Am Anfang gab es 500 Franken plus Kost und Logis, zum Schluss 2000 Franken plus Kost und Logis. <br/>
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"Der «Kassandra»-Vorstand kam in einem internen Schreiben im Januar dieses Jahres <nowiki>[1995]</nowiki>zu folgender Schlussfolgerung: «Für uns ist der Augenblick gekommen, das Projekt Villa Kassandra­ weiterzugeben.» - Die Teamfrauen sind von ihrem ursprünglichen Konzept einer basisdemokratischen «Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für Frauen, in der die Trennung zwischen Lohnarbeit und Freizeit aufgehoben ist», abgerückt. Marktwirtschaftliche Sachzwänge führten dazu, dass sich im Oktober 1994 eine interimistische Arbeitsgruppe bildete, um ein neues Nutzungskonzept für «Frauen mit neuen Ideen» zu erarbeiten, das die Bereiche Administration, Organisation und Hotellerie, Restauration entflechten und jeweils einer Leiterin unterstellen sollte. <br />
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Das Fazit des gegenwärtigen Übergangsvorstandes - bestehend aus [[Shelley Berlowitz]], [[Patricia Purtschert]], [[Lena Rérat]] und [[Verena Soldati]] - ist ernüchternd, eröffnet aber vielleicht auch praktikable Umsetzungsperspektiven: Angesichts der vermehrten Konkurrenz durch Weiterbildungs- und Kursangebote für Frauen in städtischen Zentren müsse eine künftige «Villa Kassandra» entweder auf ein Marktlückenangebot setzen oder die Bedürfnisse der Benützerinnen nach Erholung vermehrt in Betracht ziehen; letzteres würde die «Villa Kassandra» ihrer politischen Dimension berauben. So weit, so gut. Nur: Bis anhin scheinen sich - trotz Ausschreibung und wiederholter Aufrufe - keine Frauen(gruppe) ernsthaft für eine Übernahme zu interessieren."<ref>Ungewisse Zukunft eine Frauenzentrums. Anna Wegelin in: Basler Zeitung, 12.7.1995</ref>
  
 
=== Verein ===
 
=== Verein ===

Version vom 20. März 2020, 19:25 Uhr

Frauenferien- und Bildungszentrum im Jura, 1986 - 1993

Projekt

Ende 2016: Es gibt ein Publikationsprojekt zur Villa Kassandra:«... ein Haus für sich - oder: Vom Nutzen der Erotik». Kontakt: projekt (at) villakassandra.ch Flyer

Projektbeschrieb auf Historikerin.ch

Geschichte

Die "Villa Kassandra" soll ein Ort werden, wo frau Kurse besuchen, Tagungen und Treffen veranstalten, aber auch Ferien machen, eben sich wohl fühlen und entfalten kann. (aus Frau ohne Herz, Nr. 20, 1985) 1985 haben die Initiantinnen einen Verein gegründet und sind auf der Suche nach einem Haus.

Entstehung und Ende

Am Anfang stellen sich die Projektfrauen auf einem Poster mit Konzept und Statuten vor: Eveline Mugier, Lena Rérat-Leuthardt, Stefania Cerretelli, Brigit Stürchler, Gisela Raschke, Margrit Lüscher, Shelley Berlowitz.
Lena Rérat kannte die Frauenbildungshäuser in Deutschland und den Frauenort in Umbrien. An der Boldern-Tagung 1983, an welcher auch Shelley Berlowitz dabei war, entwickelten sie eine Utopie.
Drei Jahre vor dem Hauskauf, gründeten sie einen Verein und trafen sich alle zwei Wochen am Wochenende, um die Utopie von "Miteinander leben und arbeiten" zu diskutieren. Sie schauten rund 40 Häuser an und es war klar, dass vom Preis her, nur ein Haus im Jura möglich war. Mit einem Plakat sammelten sie Geld und erhielten 75'000 Franken. Die erste Nacht verbrachten sie am 01.11.1986 in der Villa Kassandra.
1990 konnte das Haus neben der Villa Kassandra gekauft werden. Die Mitarbeiterinnen wohnten ab dann da.

Name: inspiriert von Christa Wolf's "Kassandra". Die Symbolik von der Vision und dem nicht gehört werden fanden sie passend. Doch auch der Name brauchte ein Wochenende Diskussion.

Ende: Es schlichen sich Ermüdungserscheinungen ein - viel hatten die Gründerinnen gegeben, doch es kamen weniger Teilnehmerinnen (was vielleicht auch am Massenlager und dem gemeinsamen Badezimmer lag), Beziehungen waren zerbrochen und die neuen, jungen Teamfrauen blieben aus. Ein Jahr lang wurde ca. 1991 nach neuen Frauen gesucht. Doch die neuen wollten nicht so abgelegen wohnen und der Lohn war klein. Am Anfang gab es 500 Franken plus Kost und Logis, zum Schluss 2000 Franken plus Kost und Logis.
"Der «Kassandra»-Vorstand kam in einem internen Schreiben im Januar dieses Jahres [1995]zu folgender Schlussfolgerung: «Für uns ist der Augenblick gekommen, das Projekt Villa Kassandra­ weiterzugeben.» - Die Teamfrauen sind von ihrem ursprünglichen Konzept einer basisdemokratischen «Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für Frauen, in der die Trennung zwischen Lohnarbeit und Freizeit aufgehoben ist», abgerückt. Marktwirtschaftliche Sachzwänge führten dazu, dass sich im Oktober 1994 eine interimistische Arbeitsgruppe bildete, um ein neues Nutzungskonzept für «Frauen mit neuen Ideen» zu erarbeiten, das die Bereiche Administration, Organisation und Hotellerie, Restauration entflechten und jeweils einer Leiterin unterstellen sollte.
Das Fazit des gegenwärtigen Übergangsvorstandes - bestehend aus Shelley Berlowitz, Patricia Purtschert, Lena Rérat und Verena Soldati - ist ernüchternd, eröffnet aber vielleicht auch praktikable Umsetzungsperspektiven: Angesichts der vermehrten Konkurrenz durch Weiterbildungs- und Kursangebote für Frauen in städtischen Zentren müsse eine künftige «Villa Kassandra» entweder auf ein Marktlückenangebot setzen oder die Bedürfnisse der Benützerinnen nach Erholung vermehrt in Betracht ziehen; letzteres würde die «Villa Kassandra» ihrer politischen Dimension berauben. So weit, so gut. Nur: Bis anhin scheinen sich - trotz Ausschreibung und wiederholter Aufrufe - keine Frauen(gruppe) ernsthaft für eine Übernahme zu interessieren."[1]

Verein

Der Verein wurde am 20. August 1984 vor dem Hauskauf gegründet.

Vereinsgründung
Statuten

"Die Idee ... ein Frauenraum hier in der Schweiz
wo wir mit- und voneinander lernen
wo wir leben, lieben, streiten, trauern, arbeiten und uns freuen
wo wir unser Sein im Rhythmus der Natur wiederentdecken
wo wir Sinn und Heimat für unsere Sehnsüchte finden ...
Und am 20. August 1984... ... haben wir mit viel Tatendrang den Verein VILLA KASSANDRA gegründet. Die Idee konkretisierte sich an einer Tagung im vergangenen Jahr. Doris erzählte von ihrer Utopie, ein Schweizer Bildungs- und Ferienzentrum für Frauen zu realisieren. Einige anwesende Frauen fingen Feuer und trafen sich mit anderen begeisterten Frauen. Wir sind aus Basel, Bern, Brugg und Zürich, im Alter von 26 bis 39 Jahren, mit verschiedenen Berufen und unterschiedlichen Lebenserfahrungen. Im Laufe des letzten Jahres haben wir das Konzept für VILLA KASSANDRA erarbeitet. Dabei erprobten wir die Idee vom ganzheitlichen Arbeiten, indem wir versuchten, theoretischen Diskussionen und persönlichen Auseinandersetzungen die gleiche Wichtigkeit beizumessen.


Im Vorstand waren in den letzten Jahren u.a. Gabi Mengel und Patricia Purtschert.

Inhalte

Jedes Wochenende gab es Programm. Am Anfang überwiegend zu den Themen Spiritualität, Rituale , Körperarbeit, Feministische Theologie.
Später beispielsweise auch Geschichtsworkshops mit Elisabeth Joris und Heidi Witzig, politische Seminare oder auch Trickfilmkurse.
Luisa Francia Kurse waren immer ausgebucht. Weitere Kursleiterinnen: Luise F. Pusch, Audre Lorde, Veronika Bennholdt-Thomsen.
In den sieben Jahren waren zwischen 2000 und 3000 Frauen/Lesben aus den verschiedensten Szenen zu Besuch in der Villa Kassandra. Die Mund-zu-Mund-Propaganda in den diversen Netzwerken hatte funktioniert. Es gab auch französische Angebote, doch dies war wegen der Übersetzung aufwändig und wurde mit der Zeit aufgegeben.

Sommerunis: An einem Kongress in Interlaken zum Thema matriarchale Kulturen und Strukturen gab es Konflikte, da auch Männer als Teilnehmende dabei waren. Aus dieser Erfahrung und in Anlehnung an die sechswöchige Sommeruni der FU Berlin wurde diese Idee übernommen.
Das Konzept war: 1 Tag, 1 Thema, 1 Dozentin

An den Sommerunis waren bis zu 150 Frauen anwesend, die dann grösstenteils in Zelten übernachteten.
1992, die 3. Sommeruni Anfang August zum Thema "Frauen in anderen Ländern und Kulturen" u.a mit Christina Thürmer-Rohr, die iranische Politikwissenschafterin Haleh Afshar von der Universität York in England, die Soziologin Joséphine Ouédraogo, die Koreanerin Chong-Sook Kang, die türkische Sozialpädagogin Suna Cusar-Kurucan. Aus der Schweiz, unter anderen: die Ökonomin Mascha Madörin, die Sozialstatistikerin Akiko Ries und die Soziologin Marina Widmer (alle Mitglieder des Frauenrats für Aussenpolitik), dann die Mitarbeiterin der cfd-Frauenstelle für Friedensarbeit, Stella Jegher, sowie Mitarbeiterinnen von Beratungszentren für Ausländerinnen. Abschlusskonzert am 9. August mit Joëlle Léandre, Maggie Nicols, Annemarie Roelofs, Irène Schweizer und Co Streiff[2]
1995, an der 4. Sommeruni wurde die Frauenweltkonferenz in Peking vorbereitet.

Umgebung

Umgebung: Der Bürgermeister von Damvant hatte zu den Frauen der Villa Kassandra gehalten. Sie brachten ja auch Umsatz, indem sie die Milch vor Ort kauften, oder Pferde mieteten.
Beim Zoll, der gegenüber der Villa lag, gab es ein paar Gegner gegen all diese Deutschschweizer Frauen, die ohne Mann anreisten. Eine Hausregel war (deshalb?): vor dem Haus rauchen, hinter dem Haus knutschen.
In der Villa Kassandra gab es auch einmal einen Tag der offenen Tür, bei welchem ca. 80 Besucher_innen vorbei schauten.


Bilder

Literatur

Gab es einen Artikel von Marie-José Kuhn in der WoZ über die Villa Kassandra?

mündliche Quellen

  • Informationen aus dem Gespräch mit Lena Rérat und Shelley Berlowitz am 6.11.16 bei "Sie zum Beispiel - Frauen machen Geschichte(n) - jetzt!" im frau*m.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ungewisse Zukunft eine Frauenzentrums. Anna Wegelin in: Basler Zeitung, 12.7.1995
  2. Federn lassen im goldenen Käfig. Cash, 26.6.1992